Durch seine Lage am Kaptai-See hat Rangamati ein ausgeprägt amphibisches Ambiente
Dachlandschaft des buddhistischen Klosters Rajbana Vihar in Rangamati
Boot im Kaptai-See
An den Anlegestellen geht es immer bunt zu
Dachlandschaft des buddhistischen Klosters Rajbana Vihar in Rangamati
An den Anlegestellen geht es immer bunt zu
Photoverrückte Changma-Kinder
Liebe Birgit,
Rangamati ist ein echtes Wunder, und zwar in vielerlei Beziehung — und das größte Wunder ist vielleicht, daß ich überhaupt hier sein kann. Denn das gebirgige Hinterland ganz im Osten von Bangladesh (Chittagong Hill Tracts) war für viele Jahre ein Ausländern unzugängliches Krisen- bis Kriegsgebiet, ganz vergleichbar den Nordostprovinzen Indiens. Ausländer brauchen aber auch heute noch ein spezielles Permit, das man nur in Chittagong [sprich: Chottogram, aber eigentlich nennt es jeder auf Englisch Chittagong] bekommt und das leider einen engen zeitlichen Rahmen legt: Mehr als eine Woche darf man sich für die drei Bergbezirke Khagrachari, Rangamati und Bandarban nicht Zeit nehmen.
Boot im Kaptai-See
An den Anlegestellen geht es immer bunt zu
Photoverrückte Changma-Kinder
Changma-Frauen im Feiertags-Gewand mit Schultertuch (Khadi) und Rock (Pinan [sprich: Pinon])
Die Geschichte der Chittagong Hill Tracts ist traurig aber schnell erzählt: Bei der Teilung Indiens wurden sie trotz ihrer buddhistischen Bevölkerung dem muslimischen Pakistan zugeschlagen, vor allem wegen der nicht vorhandenen Verkehrsverbindungen zur indischen Nachbarprovinz Mizoram. Die einheimischen Stämme gerieten bald unter den Druck des immensen bengalischen Bevölkerungswachstums; immer mehr Bengali zogen ins Bergland (heute ist jeder zweite Bewohner ein Bengale, in den wirtschaftlich produktiven Städten noch viel mehr). Die Changma, die im Rangamati-Distrikt ihren Schwerpunkt haben, verloren viel Lebensraum durch den Kaptai-Stausee, der einen Gutteil ihres Siedlungsgebietes unter Wasser setzte. Zu allem Unglück hatte der Changma-König während des Unabhängigkeitskrieges Partei für die pakistanische Seite ergriffen, und dafür mußte die Minderheit im unabhängigen Bangladesh viele Repressionen und Schikanen erdulden.
Photoverrückte Changma-Kinder
Changma-Frauen im Feiertags-Gewand mit Schultertuch (Khadi) und Rock (Pinan [sprich: Pinon])
Changma-Mann mit wassergefüllter Bambuspfeife (Daba)
Und so kann das nach der Flutung neugegründete Rangamati mit einer wunderschönen Lage am See protzen, in dem sich die Fischerei zu seinem wesentlichen Wirtschaftszweig gemausert hat. Die Stadt besteht aus einem verworrenen Labyrinth von Halbinseln und Inseln; letztere sind teilweise durch Brücken angebunden, und an einer Stelle führt die Straße sogar über einen 300 m langen Damm. Die Changma haben sich an ihren amphibischen Lebensraum gut gewöhnt und schippern eifrig mit kleinen Holzbooten umher, mit denen sie Fische fangen oder (leider!) Holz aus den umliegenden Wäldern in die Sägewerke transportieren. Auch ihre Behausungen, oft einfache bis schäbige Holzhütten mit Wänden aus geflochtenem Bambus, liegen meist direkt am See. Die meisten Bewohner Rangamatis sind aber Bengalen, die hier all jenen Berufen nachgehen, mit denen sich Geld verdienen läßt.
Changma-Mann mit wassergefüllter Bambuspfeife (Daba)
Eingang zum Rajbana Vihar. Ob die indische Symbolik wirklich politisch ratsam ist?
Buddha-Statuen unter dem Bild des Banabhante
Die Changma sind die mit Abstand größte Gruppe in den Chittagong Hill Tracts. Sie werden von den Bengalen Chakma genannt und sind auch im Westen meist unter dieser Bezeichnung bekannt, aber ich bleibe aus Sympathie für die Underdogs lieber beim Autonym. Ursprünglich aus Burma stammend, haben sie mittlerweile eine indo–europäische Sprache angenommen, die eng mit den östlichsten Dialekten von Bangla (also Bengalisch) verwandt ist. Die südostasiatischen Gesichtszüge sind nicht sehr ausgeprägt, und viele könnten rein äußerlich auch als Bengali durchgehen. Anders als bei den Bergstämmen Nordostindiens ist die Bildungssituation sehr schlecht: Es gibt nur bengalischen Schulunterricht und keine speziellen Förderungen für die Tribals.
Eingang zum Rajbana Vihar. Ob die indische Symbolik wirklich politisch ratsam ist?
Buddha-Statuen unter dem Bild des Banabhante
Gebetshalle im Ananda Vihar
Die Statue des Banabhante
Eingang zum Rajbana Vihar. Ob die indische Symbolik wirklich politisch ratsam ist?
Die Changma-Sprache hat keinen offiziellen Status, und das traditionelle Alphabet Ajhapat ist hier (anders als in Mizoram) gar nicht in Verwendung. Lediglich in Klöstern findet man ein paar kurze Ajhapat-Inschriften, und ich bin mir gar nicht sicher, ob ich das Wort Rangamatya in der Überschrift richtig zusammenbuchstabiert habe: Ich hatte es nämlich in der ganzen Stadt nur zweimal gesehen, und dabei in zwei verschiedenen Schreibweisen (die, die mir als Vorbild diente, siehst Du beim Bild mit den Löwen). Natürlich mußt Du Dir erst einen Font installieren, bevor Du die Kringel bewundern kannst; dieser Font wurde hier in Rangamati entwickelt, und zwar im selben Volkskunde-Institut, in dem sich ein Mitarbeiter stundenlang mit mir beschäftigte, um mir Gewürznamen auf Changma aufzuschreiben.
Gebetshalle im Ananda Vihar
Die Statue des Banabhante
Die Bühne bei der abendlichen Feier (rechts die Statue des Banabhante)
Die wichtigste Sehenswürdigkeit in Rangamati sind die buddhistischen Klöster, deren Mönche sich über den wöchentlichen Ausländer wirklich freuen. Sehr hübsch und ruhig fand ich das Ananda Vihar in Tabalchari nicht weit vom Stadtzentrum an der Nordostspitze der Stadt. Dieses bereits 1938 gegründete Kloster besticht mit einem Gebetsraum, der mit Bildern aus dem Leben des Buddha und vielen buddhistischen Fahnen geschmückt ist; die goldenen Buddha-Statuen stammen natürlich aus Thailand und sehen auch so aus.
Die Statue des Banabhante
Die Bühne bei der abendlichen Feier (rechts die Statue des Banabhante)
Mönche mit Papierlaterne …
… und da schweben sie
Die Banabhante-Statue auf ihrem Thron
Die Statue des Banabhante
… und da schweben sie
Die Banabhante-Statue auf ihrem Thron
Bekannter und wesentlich prächtiger ist jedoch der Komplex des Bana Vihar („Waldkloster“) oder Rajbana Vihar, das 1974 aus einer abgeschiedenen Mönchgemeinschaft rund um einen Guru mit dem Ehrennamen Banabhante entstand. Dort wurde ich wieder einmal mit einem großen Fest beglückt.
Die Bühne bei der abendlichen Feier (rechts die Statue des Banabhante)
Denn genau in diesen wenigen Tagen meiner Anwesenheit jährt sich der Todestag des Banabhante zum ersten Mal. Seine einbalsamierte Leiche kann man in einem gläsernen Sarg bewundern, der im Stil irgendwo zwischen Schneewittchen und Ho Chi Minh rangiert; außerdem wurde eine Portrait-Statue angefertigt, die in der Feier ausgiebig zur Anwendung kam. Eine Riesenmenge Volk hatte sich versammelt, die meisten davon Changma, um des verehrten Banabhante zu gedenken, und besonders die Damen jeden Alters führten die Festgarderobe aus. Eine riesige Wiese war mit Zuschauern gefüllt, die alle erst andächtig einem Vortrag des Dharmachakra Sutra lauschten (siehe Sarnath) und dann begeistert Sadhu, Sadhu, Sadhu riefen, als das Abbild des Verstorbenen auf einem blumengeschmückten Thron umhergetragen wurde.
Mönche mit Papierlaterne …
… und da schweben sie
Am zweiten Tag des Festes wurden hunderte Papierlaternen in die Lüfte entlassen; diese Laternen funktionieren nach dem Prinzip eines Heißluftballons und sind angeblich sehr sicher, weil sie im Fall eines Absturzes noch in der Luft verbrennen. Der Himmel war dann voller oranger Lichter, die wie glühende Quallen zwischen den bläulich funkelnden Sternen schwebten — so etwas muß man einfach gesehen haben!
Die Banabhante-Statue auf ihrem Thron
Am Vortag des Festes führte mich einer der wenigen Mönche mit Englisch-Kenntnissen durch die ausgedehnte Klosteranlage mit ihren Tempeln, Schreinen und Gebetshallen; er erwähnte auch das angeschlossene Spital, da (wie er sagte) die Changma in den staatlichen Spitälern keine ordentliche Behandlung erwarten können (der Fairness halber füge ich hinzu, daß ich am selben Abend einen Changma traf, der in der staatlichen Gesundheitsvorsorge arbeitet und die Impfungen bei den Kindern der Dorfbevölkerung koordiniert; auch ein Mönch ist nicht vor selektiver Wahrnehmung gefeit). Das Kloster steht auf einer Insel, die wahlweise über eine Brücke oder per Boot erreichbar ist. Die Nachbarinsel beherbergte einst den Palast des Changma-Königs, von dem jedoch nur ein paar sekundäre Gebäude existieren; der Hauptbau ist irgendwann einmal niedergebrannt, aber keiner wollte mir dazu Details verraten.
Napi am Markt
Hangar und Schweinecurry
Gekochte Aubergine und Jackfruit–Shrimp-Salat
Khichuri vor dem letzten Garschritt
Napi am Markt
Natürlich bekommt man überall in Rangamati typisch bengalisches Essen, aber das reizt mich nun nicht besonders. Kleine und meist recht schmuddelige Changma-Lokale findet man mit wenig Mühe, zum Beispiel im Fischer- und Marktviertel im Ortskern. Dort werden auch Trockenfische (sehen fürchterlich aus und riechen noch schlimmer) angeboten, und einige Frauen verkaufen große Laibe einer pastösen, graubraunen Substanz, die als Napi oder Sidol bezeichnet wird; hinter diesen Namen verbirgt sich eine Paste aus fermentierten Garnelen, die mit dem burmesischen Ngapi und dem indonesischen Terasi vergleichbar ist. Wenn man einfach der Nase folgt, findet man also ganz leicht zu den Changma-Freßbuden.
Hagar und Schweinecurry
Gekochte Aubergine und Jackfruit–Shrimp-Salat
Das Changma-Essen ist mindestens so sehr durch Fischwürzen dominiert wie das der Meitei in Imphal. Bereits an meinem ersten Tag probierte ich ein superpikantes Gericht namens Hangar, eine Art Salat aus einem getrockneten und rehydratisierten Fisch, der nur durch absolute Unmengen von Knoblauch vor dem Abgleiten in die Ungenießbarkeit bewahrt wurde. Auch die Gemüsecurries fischelten ganz extrem, in diesem Fall durch Zugabe von Napi. Als Buddhisten sind die Changma Allesfresser: Während Huhn und Rind solide aber nicht außergewöhnlich schmeckten, erlebte ich durch das Schwein (Sugur) einen Endorphinschock: Wer hätte denn gedacht, daß ich ausgerechnet im muslimischen Bangladesh wieder auf mein kulinarisches Lieblingstier treffen würde?
Gekochte Aubergine und Jackfruit–Shrimp-Salat
Khichuri vor dem letzten Garschritt
Am besten schmeckt es aber im Tugun Restaurant, an der Hauptstraße gleich gegenüber dem Cricket-Stadium (natürlich habe ich diesen Laden erst am letzten Tag gefunden). Dort bekam ich gekochte Auberginen mit intensivem Duft nach Garnelenpaste, und einen Salat aus junger Jackfruit mit gekochten Süßwasser-Shrimps. Beides hatte einen deutlich thailändischen Touch, wenn auch die vielen Kräuter der Thai-Küche fehlten. Auf den Märkten habe ich außer Koriander und einem sehr duftigen Basilikum mit Zitronennote kein aromatisches Grünzeug gefunden; aber das kann natürlich auch an der Jahreszeit liegen.
Khichuri vor dem letzten Garschritt
Der Khichuri-Topf wird von oben und unten beheizt
Khichuri vor dem letzten Garschritt
Ganz anderes, weil strikt vegetarisches Essen gab es dagegen zur Feier im Rajbana Vihar; die Mönche des Theravada-Buddhismus leben ja generell fleisch- und fischlos. Ein großer Küchenbetrieb mit Dutzenden von Freiwilligen bereitete in riesigen Töpfen Khichuri für die Massen zu: Dazu wurde das Gemüse mit viel grünen Chilies würzig angeschmort, zusammen mit Reis, Linsen und heißem Wasser in große Metalltöpfe gefüllt und mit glühenden Holzstücken bedeckt, um langsames Garen bei gleichzeitiger Ober- und Unterhitze zu ermöglichen. Das hat sich gelohnt!
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