Der Dhaulagiri (links, 8167 m) und der Tukuche Peak (rechts, 6920 m) im Mond- und Sternenlicht
Lete ist eine eher diffuse Ansiedlung
Der Jomsom Highway ist nicht für Nervenschwache oder Vibrationsempfindliche
Die Kali Gandaki hat sich tief in die Berge eingefräst
Die Schlucht der Kali Gandaki zwischen Dana und Ghasa
Das buddhistische Kloster in Lete vor dem Hintergrund des Tukuce Peak
Lete ist eine eher diffuse Ansiedlung
Liebe Birgit,
der Banda ist vorbei, und am Tag nach der Wahl wechselte das Land langsam von ungebremstem Chaos wieder in den Normalzustand, also in gemäßigtes Chaos. Ich hatte es inzwischen von Baglung bis in die eher unattraktive Distrikthauptstadt Beni geschafft, und kämpfte mich langsam weiter in den Norden. Es ließ sich ein Bus nach Ghasa auftreiben; von dort konnte ich um einen Schweinepreis (Touristen zahlen gut das Doppelte) nach Lete durchschlagen, einem ausgedehnten Dorf, das auf stolzen 2400 m über der Kali Gandaki auf einem kleinen Hochplateau liegt; nach Südwesten geht diese Ebene ansatzlos in die abweisende Ostflanke des Dhaulagiri über.
Der Jomsom Highway ist nicht für Nervenschwache oder Vibrationsempfindliche
Die Kali Gandaki hat sich tief in die Berge eingefräst
Die Straße von Beni hierher ist ziemlich übel und erinnert an ihren schlimmsten Stellen durchaus an den berüchtigten Karnali-Highway; allerdings ist die Natur grüner und die Gegend dichter besiedelt, und daher fällt der Einsamkeitsfaktor weg, der den Karnali-Highway so ungemein impressiv macht. Stattdessen kommt man ständig durch kleine Dörfer, die von Magar besiedelt sind. In diesem Magar-Gebiet steigt die Höhe nur langsam auf max. 1500 m an, und das Klima bleibt subtropisch. Man sieht Bananenstauden, Orangenbäume und lichte Laubwälder.
Die Schlucht der Kali Gandaki zwischen Dana und Ghasa
Die Kali Gandaki hat sich tief in die Berge eingefräst
Bei Tatopani trifft der Trekking-Trampelpfad (kommend von Nayangpul) auf die Straße; gleichzeitig beginnt sich das Tal zu verengen. Das spektakulärste Stück liegt dann etwas weiter nördlich, zwischen Dana und Ghansa: Hier ist das Tal eine himmelhohe, enge Klamm, an deren Boden die Kali Gandaki weißschäumend dahinrauscht; die Straße verläuft hunderte Meter höher am wirklich steilen Hang. Die wildromantische Qualität dieser Landschaft läßt sich photographisch kaum festhalten, zumindest wenn man verzweifelt aus einem wild dahinhoppelnden Bus herausknipst. Kurz vor Ghansa überquert man dann auf ca. 2000 m Höhe die Grenze zwischen den Distrikten Myagdi und Mustang, und von hier bis Jomsom wird es flacher und viel weniger eng weitergehen.
Das buddhistische Kloster in Lete vor dem Hintergrund des Tukuce Peak
Thakali-Haus aus gekalkten Steinwänden
Von Ghansa bis Jomsom besteht die Bevölkerung fast ausschließlich aus Thakali.
Die Thakali sind eine entfernt mit den Tibetern verwandte Ethnie und sprechen eine langsam aussterbende sino–tibetische Sprache, die mit den Idiomen der Tamang und Gurung in eine Gruppe fällt; wie diese folgen sie zum Großteil dem Vajrayana-Buddhismus. Anders als ihre agrarischen Verwandten sind sie jedoch traditionell dem Handel zugetan und hatten jahrhundertelang fast das Monopol im tibetisch–nepalischen Warenaustausch inne. Der alte Karawanenweg führte genau hier durch, und dann über Jomsom weiter in das Obere Mustang, das bis 2008 noch von einem eigenen König regiert wurde. Obermustang gehört kulturell bereits nach Tibet und ist für Touristen bis heute nur sehr eingeschränkt und unter exxtremen Kosten zu erreichen.
Das buddhistische Kloster in Lete vor dem Hintergrund des Tukuce Peak
Thakali-Haus aus gekalkten Steinwänden
Heidelandschaft um Lete vor der Ostflanke des Dhaulagiri
Thakali-Haus aus gekalkten Steinwänden
Der Geschäftssinn der Thakali ist zu Recht gefürchtet. Von der einzigartigen Abzocke bei den Bussen habe ich ja schon berichtet, und in den Unterkünften geht es kaum besser zu; glücklicherweise kann man zum Essen auf lokale Kneipen (Bhancha Ghar oder Bhansa Ghar) ausweichen, wo man authentischere Speisen zu (vielleicht) besseren Preisen bekommt. Andererseits stehen die Leute schwer unter Druck: Seit dem Bau der Straße bricht hier das Geschäft weg, da früher die Trekker am Hin- und Rückweg in jedem Dorf einmal übernachten mußten; aber seit es die Busse gibt, tut sich das kaum noch einer an. Stattdessen scheint es ziemlich der Standard zu sein, nur eine Strecke zu wandern und die andere zu fahren. Entsprechend stehen die viel zu vielen Lodges selbst in der Saison fast leer, und die Verpflegung wird zur Querfinanzierung herangezogen.
Heidelandschaft um Lete vor der Ostflanke des Dhaulagiri
Der Nilgiri-Südgipfel (6839 m) blinzelt abends kurz durch die Wolken
Mais trocknet vor dem Hintergrund der Annapurna
Lete ist in eine Landschaft eingebettet, die einen Übergang zwischen dem saftigen Grün der Himalaya-Südseite und der steinigen Öde des Transhimalaya in Tibet darstellt. Die Hänge sind einigermaßen dicht bewachsen, und zwar hauptsächlich von fünfnadeligen Kiefern; die Weiden für die Kühe und wenigen Wasserbüffel sind den heimischen Almen nicht ganz unähnlich, da Rasen mit Zwergstrauchheide wechselt. Sie sehen aber wesentlich trockener aus, und jetzt im Winter überwiegen die Brauntöne. Außerdem sind die Zwergsträucher keine sanften Alpenrosen oder Heidelbeeren, sondern abschreckend bedornte Überlebenskünstler, und zuletzt liegen noch überall Steinbrocken aller denkbaren Größen herum, vom Kieselstein bis zum übermannshohen Block. Der Ort Lete zieht sich einen guten Kilometer entlang der Straße dahin; seine Nordhälfte heißt auch Kalopani und protzt mit den teureren Guest Houses.
Heidelandschaft um Lete vor der Ostflanke des Dhaulagiri
Mais trocknet vor dem Hintergrund der Annapurna
Der Nilgiri-Südgipfel (6839 m) blinzelt abends kurz durch die Wolken
Der Nilgiri-Südgipfel (6839 m) blinzelt abends kurz durch die Wolken
Mais trocknet vor dem Hintergrund der Annapurna
Lete ist für seine prachtvollen Ausblicke auf die beiden Achttausender Annapurna und Dhaulagiri berühmt; dazu kommen noch die mit ca. 7000 m niedrigeren aber aber nur fünf horizontale Kilometer entfernten Gipfel des Nilgiri („blaues Gebirge“, nicht zu verwechseln mit den gleichnamigen Bergen in Südindien) und der ähnlich hohe Tukuche Peak. An meinem Ankunftstag war alles in Wolken gehüllt — der erste bedeckte Tag seit Wochen, wie mir die Leute versicherten, und das glaube ich, denn ich hatte die Berge in den letzten Tagen ja immer klar vor Augen gehabt. Aber auch der nächste Tag trübte sich rasch ein und und bot nur morgens kurze Zeitfenster zum Schießen der Photos. Erst am dritten Tag war alles klar, und so kam ich auch noch zu Bildern der beiden Berge im Osten, nämlich der Annapurna und der etwas näheren aber viel niedrigeren Nilgiri-Gruppe.
Endlich doch noch: Links die Nilgiri-Gruppe und rechts das Annapurna-Massiv. Die höchsten Gipfel liegen jeweils ganz links: Nilgiri Nord (7061 m) bzw. Annapurna I (8091 m). Wer dieses Motiv aus fast genau derselben Richtung, nur von einem Punkt gut 4000 m höher aufgenommen, sehen will, der findet es hier.
Rettich-Pickle
Mit Jimbu gewürzte Bohnen
Dal mit Trockenfisch
Rettich-Pickle
Die Thakali-Küche hat den Ruf großer Schmackhaftigkeit und Eigenständigkeit; ich hatte bisher aber keine Erfahrung damit. Bereits in Beni konnte ich sie das erste Mal versuchen, da mein Guest House natürlich von einem Thakali geführt wurde (Stichwort: Geschäftstüchtigkeit). Ich bekam also ein Thakali Dalbhat, das unter anderem ein selbstgemachtes Rettich-Pickle (Mula Achar) mit Sesamsamen und ein rohes Tomaten-Chutney mit Unmengen Timur als pikante Beilagen enthielt. Timur, die nepalische Variante von chinesischem Sichuan-Pfeffer, wird ja meist in geringer Dosierung eingesetzt, so daß man sein Aroma aber nicht seine prickelnde Schärfe wahrnehmen kann; hier wurde jedoch aus dem Vollen geschöpft, fast wie bei einer chinesischen Mala-Speise.
Mit Jimbu gewürzte Bohnen
Dal mit Trockenfisch
Rohe Blutwurst (Kindi)
Gebratene Blutwurst (Kindi)
Fast noch interessanter fand ich das Dal, das aus mehreren Sorten Hülsenfrüchten gekocht und mit dem exotischen Gewürz Jimbu gewürzt war. Jimbu ist eine wildwachsende Lauchart („Himalayazwiebel“), die in der Gegend um Jomsom jenseits von 4000 m Höhe vorkommen soll; die fadenförmigen, getrockneten Blätter werden in Fett angebraten und unter die Hülsenfrüchte gemischt. Diese Würzmethode (Tadka) ist ja in ganz Indien verbreitet, wird allerdings meist mit Gewürzen wie Kreuzkümmel und Chili praktiziert, manchmal auch mit Knoblauch oder Ingwer; die Verwendung von Jimbu ist ein lokales Spezifikum, das man nur in Nepal und eingeschränkt im indischen Kumaon findet. Geschmacklich erinnert mich Jimbu sehr an Asant in niedriger Dosierung. In Lete gab es übrigens auch Dal, das mit winzigen getrockneten Fischen aromatisiert wurde; so etwas kenne ich sonst eigentlich nur aus Manipur.
Rohe Blutwurst (Kindi)
Gebratene Blutwurst (Kindi)
Sowohl roter als auch weißer Mais eignet sich für Popcorn
Kräftiges Frühstück mit Diro und Kindi; oben ein Klecks Amilo Achar
Gebratene Blutwurst (Kindi)
Rohe Blutwurst (Kindi)
Ein besonderes Highlight war Kindi, eine getrocknete Schafswurst aus Blut und Innereien (“Nepalese Salami”, wie mir jemand erklärte). Sie war nur gut fingerdick und mit etwas Chili und Timur gewürzt, erinnerte aber trotzdem ein bißchen an heimische Blutwurst. Vor dem Verzehr brät man sie trocken an, wobei Fett schäumend austritt und pikante Brataromen entstehen; serviert wird sie wieder mit dem Timur-lastigen Tomaten-Chutney, das ein frisch–fruchtiges Aroma beisteuert, oder einem anderen Pickle.
Sowohl roter als auch weißer Mais eignet sich für Popcorn
Kräftiges Frühstück mit Diro und Kindi; oben ein Klecks Amilo Achar
Außerdem gab es wieder einmal Mais (Makai), der hier meist nicht orange sondern entweder blaßgelb („weiß“) oder rot gefärbt ist und gerne in Form von frischgemachtem Popcorn (Bhuteko Makai) gesnackt wird. In meinem bevorzugten aber namenlosen Bhanchha Ghar (wer es sucht: die Familie betreibt im gleichen Haus einen Laden namens Thakali Trades) bereitete mir die Köchin eine Speise namens Diro, das ist eine Art Sterz aus Mais- und Weizenmehl; offenbar kulinarisch und sprachlich ein enger Verwandter des Dedo, den ich letztes Jahr bei den Sherpa gegessen hatte. Der feste, knödelartige Sterz wurde mit einem Kartoffel–Kohl-Gemüse und dem unvermeidlichen Dal serviert, und dazu kam noch ein chilischarfes Pickle aus frischem geraspeltem Rettich und das spektakuläre Amilo Achar, ein eingekochtes Mus aus Sumach­früchten, daß aussieht wie Powidl und auch so schmeckt, aber mit einem subtilen Hauch Chili. Außerhalb der Pickles und Chutneys halten sich die Thakali mit Chili aber auffällig zurück.
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